Es ist der beste Job
Sozialpädagoge, Lehrerinnen, Juristen, Mediziner und Psychologen – klingt wie ein Uni-Campus. Wir sprachen mit Wolfgang Kuhlmann, dem Leiter der Jugendanstalt Hameln, über die krisensichere Berufsvielfalt und Karrieremöglichkeiten für junge Menschen in der JA-Hameln.
Wolfgang Kuhlmann, Leiter der Jugendanstalt Hameln I Foto: Jugendanstalt Hameln
Jobgalerie Weserbergland: Herr Kuhlmann, zunächst vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Seit fast 10 Jahren leiten Sie die Jugendanstalt in Hameln. Welches Fazit ziehen Sie aus den letzten Jahren?
Wolfgang Kuhlmann: Es ist der beste Job, den ich je hatte. Ich habe in diesen zehn Jahren noch keinen einzigen langweiligen Tag in der Jugendanstalt erlebt. Aus meinem Beruf ist für mich eine Berufung geworden. An der Spitze eine Mannschaft zustehen, die tagtäglich eine überaus sinnvolle gesellschaftliche Aufgabe übernimmt, macht mich durchaus stolz. Der Jugendvollzug bietet jeden Tag neue Herausforderungen, denen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendanstalt stellen müssen. Hierbei zu unterstützen, Orientierung zu geben, Vorgaben und Ziele zu formulieren, Entwicklungen voranzutreiben und letztlich die Verantwortung für die Gesamtleistung zu übernehmen, ist anspruchsvoll und sehr erfüllend. Dieses gemeinschaftlich erarbeitete Ergebnis wird durch unser multiprofessionelles Team erreicht. Wir alle arbeiten gemeinsam an unserem gesetzlichen Auftrag, die Resozialisierung junger Straftäter erzieherisch zu gestalten, den jungen Gefangenen neue Wege zu eröffnen und sie dabei ein stückweit zu begleiten. Selbstverständlich gelingt uns das nicht immer, aber es gelingt immer mal wieder. Gleichzeitig sorgen wir für mehr Sicherheit in der Gesellschaft. Na wenn das kein sinnvoller Job ist, was dann?
Jobgalerie Weserbergland: Die meisten denken an Jugendhaftanstalten gleich an Gefangene und Gitter. Was bietet die Jugendanstalt in Hameln für Berufsmöglichkeiten?
Wolfgang Kuhlmann: Der oben erwähnte Erziehungsgedanke, der seit der Gründung der Jugendanstalt in allen Bereichen mitschwingt und wahrnehmbar ist, führt dazu, dass es hier in Hameln weit mehr gibt als nur Gefangene und Gitter. Die Berufs- und Einsatzmöglichkeiten sind mehr als vielfältig und spannend. So können Sie bei uns – teilweise direkt im Beamtenverhältnis – einsteigen als Handwerksmeister zur Ausbildung der Gefangenen in unterschiedlichen Gewerken; Psychologin oder Psychologe; Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter; Medizinerin oder Mediziner; Lehrerin oder Lehrer und Juristin oder Jurist.Darüber hinaus bieten wir unsere zweijährige Ausbildung zur Justizvollzugsfachwirtin oder zum Justizvollzugsfachwirt, sowie unser dreijähriges duales Studium mit Schwerpunkt Vollzugs- und Verwaltungsrecht zur Diplom-Verwaltungswirtin oder zum Diplom-Verwaltungswirt an. In beiden Berufszweigen starten Sie direkt im Beamtenverhältnis auf
Widerruf und genießen alle Vorteile des öffentlichen Dienstes mit sicherem Einkommen und sicherer Altersversorgung; regelmäßigen Fortbildungsangeboten;
Dienstsportmöglichkeiten sowie einem Firmenfitnessprogramm und vielen weiteren Benefits. Wenn ich an dieser Stelle unsere Justizministerin Frau Dr. Wahlmann zitieren darf: “Zwischen True Crime und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung: Ein Job im Justizvollzug ist so viel mehr – mehr Verantwortung, mehr Teamgeist, mehr Sicherheit.”
Jobgalerie Weserbergland: Ist ein Quereinstieg oder ein Karrierewechsel bei der Jugendanstalt möglich?
Wolfgang Kuhlmann: Ein Quereinstieg ist jederzeit auch in einem Beschäftigungsverhältnis denkbar, allerdings müssen wir immer die uns vorgegebenen formellen Voraussetzungen für ein Beamtenverhältnis einhalten. Dafür gibt es für die verschiedenen Laufbahnen und Laufbahngruppen entsprechende Bildungsvoraussetzungen, aber auch ein Mindest- und Höchstalter. Eine Mindestkörpergröße gibt es hingegen im Justizvollzug nicht. Darüber hinaus sind die Laufbahnen im Beamtenverhältnis durchlässig, d.h. es gibt auch die Möglichkeit, z.B. durch einen Aufstieg von der Laufbahngruppe 1 in die Laufbahngruppe 2 zu wechseln und sich so entsprechend weiterzuentwickeln. Ebenso muss man die vielschichtigen Einsatzmöglichkeiten bei uns berücksichtigen, die z.B. mit einer Ausbildung zur Justizvollzugsfachwirtin oder zum Justizvollzugsfachwirt denkbar sind: So ist nicht nur der „klassische“ Einsatz in einer Vollzugsabteilung möglich, sondern ebenso auf verschiedenen Dienstposten z.B. in der Verwaltung, an den Pforten, in der Sicherheitszentrale, als Hundeführerin oder Hundeführer oder als Bedienstete/r im Sportdienst oder als Besuchsbeamtin oder -beamter.
Jobgalerie Weserbergland: Mit welchen Worten würden Sie junge Menschen für einen Job bei der Jugendanstalt überzeugen wollen?
Wolfgang Kuhlmann: Gerade die Coronazeit und auch die wirtschaftliche Entwicklung hat uns gezeigt, wie wertvoll ein krisensicherer Job sein kann. Kombiniert mit den tagtäglichen Herausforderungen kann es fast keinen spannenderen Job geben, als in der Erziehung junger Strafgefangener. Durch die Ausbildung, einem Mentoringprogramm und einer Einführungs- und Erprobungsphase wird hier niemand ins kalte Wasser geworfen, sondern solide und umfangreich auf die kommenden Tätigkeiten vorbereitet. Zwischen Mauern und Möglichkeiten eben ein gesellschaftlich notwendiger Schlüsseljob.
Jobgalerie Weserbergland: Wie könnte eine klassische Karriere als Mitarbeiter der Jugendanstalt aussehen und welche Zukunftschancen gibt es?
Wolfgang Kuhlmann: Wie bereits oben beschrieben gibt es immer die Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln, sei es durch einen Aufstieg in eine andere Laufbahn oder durch die entsprechenden Beförderungsmöglichkeiten mit besoldungsrechtlichen Auswirkungen. Aber auch z.B. als Sozialarbeiterin oder Psychologin haben Sie die Möglichkeit, ins sog. mittlere Management aufzusteigen, bedeutet, Sie würden z.B. eine Vollzugsabteilung eigenständig leiten und hätten entsprechende Personalverantwortung. Auch die Leitung eines Ausbildungsbetriebes ist denkbar oder die Leitung einer unserer Fachbereiche. Ich selbst habe vor mehr als 25 Jahren als „einfacher“ Anstaltspsychologe in der Jugendanstalt begonnen und werde sie als Behördenleiter mit Beginn meines Ruhestandes verlassen. Ich hatte also alle Möglichkeiten, mich beruflich weiterzuentwickeln. Für eine erfolgreiche berufliche Karriere sind natürlich auch in der Jugendanstalt Loyalität gegenüber der Aufgabe und großer Einsatzwille notwendig.
Jobgalerie Weserbergland: Herr Kuhlmann, haben Sie vielen Dank für das freundliche Gespräch.
Das Interview führte Joel Cruz