Die Zuwendung zu
den Menschen
Der Notstand in Pflege und Krankenhäusern sind bekannt. Aber mit einer positiven Grundhaltung kann alles gelingen. Wir sprachen mit Diana Fortmann, Geschäftsführerin des AGAPLESION EV. KLINIKUM SCHAUMBURG gGmbH über Auszubildende, Diversity Management, Bürokratie und was sie sich von der Politik wünscht.
Diana Fortmann, Geschäftsführerin des AGAPLESION EV. KLINIKUM SCHAUMBURG gGmbH, Foto: AGAPLESION EV. KLINIKUM SCHAUMBURG gGmbH
Jobgalerie Weserbergland: Frau Fortmann, vielen Dank, dass Sie sich für unsere Fragen Zeit nehmen. Energieverbrauch, Umsatzzahlen, Personal und Patienten – als Geschäftsführerin des AGAPLESION EV. KLINIKUM SCHAUMBURG gGmbH haben Sie allerhand zu tun. Was macht Ihnen derzeit am meisten Sorgen?
Diana Fortmann: Als Geschäftsführerin möchte ich meinen Fokus immer auf das setzen, was ich, gemeinsam mit allen Mitarbeiter:innen unseres Klinikums, bewirken kann und das ist vor allem die gute Versorgung unserer Patient:innen. Als noch recht junge Organisation – wir sind Ende 2017 in den Klinikneubau in Obernkirchen eingezogen und haben damit aus drei kleinen Krankenhäusern ein modernes Klinikum der Schwerpunktversorgung gemacht – haben wir viele Herausforderungen zu bewältigen aber auch viele bereits erfolgreich geschafft! Trotzdem beschäftigen mich momentan insbesondere die politischen Entwicklungen und Gesetzesvorhaben. Für alle Krankenhäuser in Deutschland gilt, dass die wirtschaftliche Prognose und Planbarkeit mit Blick auf die anstehende Krankenhausreform, den fehlenden Inflationsausgleich und eine fehlende Investitionskostenfinanzierung unglaublich schwierig sind. Wenig überrascht, aber trotzdem enttäuscht – das beschreibt meine Gemütslage, als ich davon erfahren habe, dass die Bundesregierung die Krankenhausreform in der jetzigen Form verabschiedet hat. Denn auch wenn eine Reform dringend notwendig ist, mit den diesen Inhalten ist Fakt, dass, bis die Reform greift, weiterhin keine Planungs- und Finanzierungssicherheit herrscht.
Jobgalerie Weserbergland: Der Fachkräftemangel beschäftigt die Arbeitgeber insbesondere im ländlichen Raum nach wie vor. Gute Leute in der Pflege und Medizin werden händeringend gesucht. Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?
Diana Fortmann: Ich bin sehr stolz, dass wir als Klinikum seit Einzug in unseren Neubau einen ständigen Personalzuwachs in der Pflege verzeichnen und auf Leihpersonal verzichten können. Eine verlässliche Personalplanung ist für uns unerlässlich für eine positive wirtschaftliche Entwicklung und ein weiteres Wachstum. Für uns ist auch die Nachwuchsförderung ein wichtiger Baustein für den Erfolg und die Weiterentwicklung des Klinikums: Wir bieten insgesamt neun Ausbildungsberufe an. Unsere Berufsfachschule Pflege erfreut sich weiter gutem Zulauf, es absolvieren immer mehr Medizinstudent:innen ihr Praktisches Jahr in Schaumburg und die Verbundweiterbildung Allgemeinmedizin wird weiter gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzt:innen und dem Landkreis Schaumburg forciert, um die hausärztliche Versorgung in Schaumburg auch in Zukunft sicherzustellen. Neben der Ausbildung der Pflegefachkräfte engagieren wir uns auch bei der Integration Ausländischer Fachkräfte (Unterstützung bei Wohnungssuche, Deutschunterricht, soziale Integration), wir haben Mitarbeiter:innen speziell mit diesen Aufgaben betraut.
Für mich ist wichtig, dass wir in unserem Klinikum ein gutes Miteinander pflegen und dabei meine ich alle Mitarbeiter:innen, unsere Patient:innen und auch die Angehörigen. Es geht um die Atmosphäre, den Umgangston. Darüber hinaus möchten wir für unsere Mitarbeiter:innen den Raum eröffnen, um sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Natürlich legen wir auch viel Wert auf Stichworte wie: Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Gesundheitsvorsorge, Vereinbarkeit von Familie und Betriebliche Altersvorsorge und faire Vergütung!
Jobgalerie Weserbergland: Mehr Ausbildung, mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie. Es braucht viele Ansätze im Kampf gegen Fachkräftemangel und der Weg scheint mühsam zu sein. Was braucht es, um junge Menschen für Medizin- und Pflegeberufe zu begeistern?
Diana Fortmann: Aus meiner Sicht müssen wir nicht zuletzt an der öffentlichen Wahrnehmung arbeiten, denn was oft viel zu kurz kommt: Pflege- und Medizinberufe sind erfüllend, sinnstiftend, mittlerweile gut entlohnt und zukunftssicher. Mit flexiblen und mitarbeiter:innen orientierten Konzepten versuchen wir ein attraktives Arbeitsumfeld mit vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Trotzdem bleibt es so, dass sowohl der Arzt- als auch der Pflegeberuf jeweils ein Beruf ist, der ganz bewusst gewählt wird – er verlangt viel ab, kann aber noch viel mehr geben! Ich glaube fest daran, dass wir jungen Menschen die Chance geben müssen, schon früh in die unterschiedlichen Berufsbilder „reinzuschnuppern“. Bei uns geht das zum Beispiel im Rahmen eines Pflegepraktikums – hier erhalten die Interessierten Einblicke und vor allem eine gute Anleitung und Betreuung von Fachkräften, denn so kann am besten vermittelt werden, wie sinnstiftend der Beruf als Pflegefachkraft oder auch als Mediziner:in sein kann und wie viel Dankbarkeit bei den behandelten Patient:innen entsteht. AGAPLESION hat sich zu unserem Glück als einer der ersten Gesundheitskonzerne in Deutschland bereits 2005 mit einer eigenen konsequenten Digitalstrategie auf den Weg in die digitale Zukunft begeben. Ziel ist es, die Digitalisierung für Patient:innen, aber auch zur Entlastung der Mitarbeiter:innen voranzutreiben. Denn Digitalisierung soll Zeit schaffen für das Wesentliche: Die Zuwendung zu den Menschen.
Jobgalerie Weserbergland: Stichwort Vielfalt und Diversity Management. Was macht Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg als Arbeitgeber in der Region für internationale Fachkräfte attraktiv?
Diana Fortmann: Bei uns arbeiten mittlerweile knapp 40 Nationen unter einem Dach. Als Geschäftsführerin ist es mir besonders wichtig, dass wir Chancengleichheit aktiv fördern und unsere Kolleg:innen ein wertschätzendes Miteinander leben. So beteiligen wir uns auch jährlich am bundesweiten Diversity Day.
Gemeinsam mit den anderen AGAPLESION Einrichtungen, haben wir die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Damit verpflichten wir uns, alle Mitarbeiter:innen und Patient:innen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, körperlicher Beeinträchtigung, Alter, sexueller Orientierung und Identität – gleich zu behandeln und wertzuschätzen. Mittlerweile konnten wir einige Erfahrungen bei der Integration ausländischer Fachkräfte sammeln. Aus meiner Sicht macht es uns als Klinikum attraktiv, dass unsere ausländischen Fachkräfte von Beginn an persönliche Ansprechpartner:innen haben, die sie unterstützen. Zu dieser Unterstützung zählen nicht nur Dinge wie die Begleitung bei Behördengängen oder die Organisation der Integration in den Berufsalltag im Klinikum, sondern auch Themen wie Wohnraumsuche und soziale Integration. Ich stelle immer wieder fest, wie herzlich neue Kolleg:innen bei uns aufgenommen werden und eine faire Chance zum Ankommen haben.
Jobgalerie Weserbergland: Wenn Sie sich von der Politik etwas wünschen könnten, welchen Wunsch würden Sie äußern?
Diana Fortmann: Ich wünsche mir eine verlässliche Politik, die gute Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung schafft und dies nicht zuletzt mit einer ausreichenden Finanzierung. Wir in Schaumburg haben mit der Zusammenlegung der drei Kliniken zu einem zentralen Krankenhaus der Schwerpunktversorgung unsere „Hausaufgaben“ im Sinne der Gestaltung einer zukunfts- und leistungsfähigen Gesundheitsversorgung im Landkreis bereits getan. Es darf nicht sein, dass wir als junge Organisation immer wieder unter einer Politik leiden, die nicht auf die individuellen Unterschiede schaut und keine ausreichende Finanzierung bereitstellt. Außerdem wünsche ich mir den seit langem zugesagten Bürokratieabbau. Dokumentation ist richtig und wichtig, jedoch steht der Dokumentationsaufwand in Krankenhäusern in keinem angemessenen Verhältnis mehr und wird immer höher. Unsere Fachkräfte können so weniger Zeit damit verbringen, wofür sie gebraucht werden und zwar direkt bei den Patient:innen. Durch eine konsequente Entbürokratisierung könnte das Fachkräfteproblem deutlich verringert werden und somit auch die Attraktivität des Berufs aus Sicht der Fachkräfte wieder deutlich steigen.
Jobgalerie Weserbergland: Frau Diana Fortmann, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Joel Cruz