IM DIALOG
BRAUCHEN FÜR UNTERNEHMEN
AUCH VERLÄSSLICHE POLITIK
Er erkundigt sich vor Ort und persönlich bei den Betrieben. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) nimmt sich Zeit für Betriebsbesuche. Die Jobgalerie Weserbergland fragte beim Minister nach. Was sind die größten Herausforderungen für die Wirtschaft in Niedersachsen? Welche Potenziale sieht er in Zuwanderung und auf was er der Jugend antwortet?
Niedersächsischer Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), (Foto: MW Henning-Scheffens)
Jobgalerie Weserbergland: Guten Tag, Herr Wirtschaftsminister, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben. Das Jahr 2023 lief für die Wirtschaft Niedersachsens gut. Beim Wirtschaftswachstum schneidet Niedersachsen über dem Bundesschnitt ab. Was waren die Gründe dafür und welche Ziele und Visionen haben Sie für die Unternehmen im Land Niedersachsen in den nächsten Jahren?
Wirtschaftsminister Olaf Lies: Ich würde sagen: Die Antwort steckt zu großen Teilen bereits in Ihrer Frage. Die niedersächsische Wirtschaft hat sich äußerst robust gezeigt, weil wir ein starker Standort mit guten logistischen und energiepolitischen Voraussetzungen sind. Wir erleben seit 2020 multiple Krisen: Corona, Krieg und die Klimakrise sind nur einige davon, hinzu kommen auch dadurch bedingt Herausforderungen wie die dringend benötigte Transformation. Aber nochmal: Unsere Wirtschaft ist widerstandsfähig. Deshalb müssen und können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Aber: Wir brauchen auch eine verlässliche Politik, die den Betrieben Sicherheit bietet.
Jobgalerie Weserbergland: Laut den Handwerkskammern und Handwerksverbänden fehlen bereits heute über 190.000 Fachkräfte. In den Bereichen Bildung, Soziales und Pflege ist die Lage ebenfalls prekär. Im ländlichen Raum stehen Betriebe mangels Unternehmensnachfolge kurz vor dem Aus und in den kommenden zehn Jahren gehen rund 700.000 Menschen aus der Babyboomer-Generation in die Rente. Wie kann die Politik die Fachkräfte-Situation für Unternehmen in Niedersachsen verbessern?
Wirtschaftsminister Olaf Lies: Der demografische Wandel ist seit vielen Jahren ein Schlagwort, von dem wir dachten, er ist weit weg. Wir stellen aber fest, wir sind mittendrin. Die Herausforderungen müssen wir auch hier als Chancen sehen. Wir müssen es Migrantinnen und Migranten einfacher machen, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Diese Menschen haben zwar einen großen Unterstützungsbedarf, sind aber auch motiviert. Deshalb gibt es das IHAFA-Projekt, das „Integrationsprojekt Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber“. Das ist ein Erfolgsprojekt der Arbeitsmarktförderung für Zuwanderinnen und Zuwanderer: IHAFA hat in den letzten Jahren ermöglicht, eine enorme Anzahl von Win-Win-Chancen insbesondere für Geflüchtete und für ihre Anstellungsbetriebe zu realisieren. Und: Wir müssen junge Menschen durch tolle Formate wie die Ideen-Expo für MINT-Berufe begeistern. Und wir müssen natürlich gerade in der Pflege gute Arbeitsbedingungen schaffen, mit fairen Arbeitszeiten und guter Bezahlung. Mit unserer Fachkräftestrategie der Landesregierung haben wir ein Instrument geschaffen, um diesen Aufgaben zu begegnen. Allerdings lässt sich die schrumpfende Bevölkerung nicht wegreden. Es braucht große, gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten, um hier zu Lösungen zu kommen.
Jobgalerie Weserbergland: In Niedersachsen leben etwa 253.000 Geflüchtete. Dies sind drei Prozent der Gesamtbevölkerung und ein Viertel des ausländischen Bevölkerung in Niedersachsen. Die Anzahl der Geflüchteten aus der Ukraine beträgt etwa 110.000 Menschen. Das sind 10 Prozent der ausländischen und 1,4 Prozent der gesamten Bevölkerung Niedersachsen. Welche Potenziale für die Wirtschaft, Betriebe und Unternehmen ergeben sich im Zusammenhang mit der Zuwanderung?
Wirtschaftsminister Olaf Lies: Wir werden nicht alle Geflüchteten in Jobs bringen können, aber das Potenzial ist da. Ich sehe bei den vielen Betriebsbesichtigungen, die ich mache, Menschen, die sich einbringen wollen, die deutsch lernen wollen, die den Willen haben, etwas zu leisten und die für ihre Familie sorgen wollen. Ich glaube, die meisten Menschen wollen etwas Sinnstiftendes tun. Das müssen wir auch in der Bevölkerung vermitteln, und dafür müssen wir Hürden abbauen. Denn wenn Demokratiefeinde immer nur Negativbeispiele hervorkramen oder staatszersetzende Stimmen die üblichen Gerüchte streuen, hilft das am Ende keinem.
Jobgalerie Weserbergland: Neben Fachkräftemangel, demografischem Wandel und Energiethemen sind Unternehmen zunehmend mit Transformationsprozessen beschäftigt. Im Hinblick, dass 99,6 Prozent der Betriebe in Niedersachsen zum Handwerk und Mittelstand gehören, tun sich kleine und mittelständische Unternehmen, die sogenannten KMU’s, in Sachen Digitalisierung und Transformationsprozessen noch schwer. Was brauchen Betriebe, um moderne Prozesse zu optimieren und wie kann die Politik Betriebe dabei unterstützen?
Wirtschaftsminister Olaf Lies: Ich will gar nicht viel von unseren Förderungen und Beratungen erzählen. Die Angebote gibt es und die Angebote können helfen. Betriebe brauchen in der Transformation aber in erster Linie einen klaren Kompass, eine verlässliche Politik, wo wir mit diesem Land hinwollen und man braucht den betriebsinternen Willen zur Veränderung. Und auch hier, wie im Übrigen in allen angesprochenen Bereichen, müssen wir zuversichtlich sein und die Herausforderungen als Chance begreifen, da wiederhole ich mich gern. Der Wille zum Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft ist aber da. Ein Beispiel: Noch vor wenigen Jahren war KI ein Schreckgespenst. Und jetzt sehen wir, dass KI viele Prozesse erleichtert und optimiert. KI wurde lange als Arbeitsplatzkannibale betrachtet. Nun wissen wir, dass die KI gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine gute Kollegin sein kann.
Jobgalerie Weserbergland: Kindern gehört die Zukunft. Ein Schüler oder eine Schülerin in der 10. Klasse stellt Ihnen folgende Frage: Herr Wirtschaftsminister, wie sehen meine beruflichen Chancen und Möglichkeiten in der Zukunft in Niedersachsen aus? Wie würden Sie antworten?
Wirtschaftsminister Olaf Lies: Das ist schwierig, denn jedes Kind ist anders. Ich denke, es ist wichtig, dass man mit viel Spaß zur Arbeit geht. Wer sich für ein Studium entscheidet, soll das tun. Wir müssen aber aufzeigen, dass auch Handwerksberufe schön sind und die Verdienstmöglichkeiten in manchen Sparten höher sind als bei Akademikern. Und wir müssen zeigen, dass Niedersachsens Berufswelt vielfältig und innovativ ist. Gerade in Zukunftsberufen wie bei der Windenergie oder der Wasserstoffwirtschaft brauchen wir kluge Köpfe, aber auch in klassischen Berufen wie dem Bäckerhandwerk oder in den MINT-Berufen – gerade hier freuen wir uns riesig auf die Ideen-Expo. Ich denke, in Niedersachsen findet jede und jeder das Richtige.
Jobgalerie Weserbergland: Herr Wirtschaftsminister Olaf Lies, haben Sie vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Joel Cruz
„ICH GLAUBE, DIE MEISTEN MENSCHEN WOLLEN ETWAS SINNSTIFTENDES TUN“