INTERVIEWGESPRÄCH
DER ÖFFENTLICHE DIENST KANN AUCH
HOCH KÜNSTLERISCH SEIN
Die Jobgalerie Weserbergland sprach mit den Präsidiumsmitgliedern der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst – Hildesheim/Holzminden/Göttingen Frau Dr. Anne Faber und Frau Prof. Dr. Scholz-Bürig.
Dr. Anne Faber (links) und Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig (Foto: HAWK)
Jobgalerie Weserbergland: Frau Dr. Faber, Frau Prof. Dr. Scholz-Bürig, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich für unsere Fragen Zeit nehmen. Ich möchte gerne mit Frau Dr. Faber beginnen. Sie sind u.a. in der Europäischen und Internationalen Politik bewandert. Wie steht Deutschland aus Ihrer Sicht in Sachen Brain Drain, Brain Gain und Brain Circulation sowie im globalen Wettbewerb um internationale Fachkräfte und Hochqualifizierte da?
Dr. Anne Faber: Puh, das ist ja gleich eine sehr umfassende und schwierige Frage zum Start! Deutschland hat bekanntermaßen lange Jahre im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch bei der Gewinnung von Fachkräften und internationalen Studierenden deutlich hinter den Spitzenländern der OECD zurückgelegen. In den letzten Jahren stellen wir hier aber ein grundlegendes Umdenken und eine sehr viel größere Bereitschaft gerade von Unternehmensseite fest, die Zuwanderung von Fachkräften, Studierenden und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem Ausland zu unterstützen und für deren bestmögliche Integration in das Lebens-, Ausbildungs- und Arbeitsumfeld zu sorgen. Diesen frischen Wind sollten wir nutzen, um auch bürokratische Hürden und aufwendige Vorgaben pragmatisch anzupassen und schneller umsetzbar zu gestalten.
Jobgalerie Weserbergland: Sie sind als Hauptberufliche Vizepräsidentin u.a. für die Personalverwaltung zuständig. Personalbeschaffung, Personaladministration, Planung, Reporting, Controlling, Recruiting, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Personalentwicklung – das sind eine Menge Themen und Verantwortung. Hat es da noch Raum für die Betreuung Ihrer Mitarbeitenden, für eine Wertschätzungs- und Willkommenskultur?
Dr. Anne Faber: Dafür gibt es nicht nur Raum, sondern diese Kultur der Wertschätzung unserer Mitarbeitenden und des Willkommenheißens neuer Mitarbeitender ist für die HAWK eine ganz zentrale Aufgabe und Freude. Gerade in diesem Jahr haben wir als Präsidium der HAWK mit unseren Abteilungsleitungen im Hochschulmanagement das Instrument der jährlichen Mitarbeitendengespräche neu aufgesetzt und machen damit sehr positive Erfahrungen. Dieser Gesprächstermin wird von allen Beteiligten als ein klares Zeichen der Wertschätzung und des konstruktiven Austausches sehr gelobt. Mindestens ebenso viel positives Feedback haben wir für das letzte Begrüßungsevent für neue Mitarbeitende aller drei Hochschulstandorte im April dieses Jahres erhalten. Das war ein Vormittag, der uns allen sehr viel Spaß gemacht hat, und bei dem man die neuen Mitarbeitenden noch einmal in einem ganz anderen Rahmen kennenlernen und begrüßen konnte. Für alle Mitarbeitenden bieten wir darüber hinaus regelmäßig vom betrieblichen Gesundheitsmanagement die gemeinsame Teilnahme an Sportevents wie dem Göttinger Altstadtlauf oder dem Firmenlauf in Hildesheim an. Auch für unsere Auszubildenden wird es in diesem Jahr erstmalig abteilungs- und standortübergreifend ein gemeinsames Event zum Kennenlernen untereinander und zum Kennenlernen der Hochschule geben. Also klar: Ja, natürlich gibt es an der HAWK Raum für eine Wertschätzungs- und Willkommenskultur, die wir sehr bewusst pflegen und stetig ausbauen, weil sie uns am Herzen liegt, und die die gute Zusammenarbeit in der Hochschule nachhaltig stärkt!
Jobgalerie Weserbergland: Was muss sich gesellschaftlich und strukturell in Deutschland verändern, damit die Sorgen und Ängste der Wirtschaft bezüglich Fachkräfte zurückgehen? Was könnten aus Ihrer Sicht Lösungsansätze sein?
Dr. Anne Faber: Aus meiner Sicht muss es sehr viel stärker darum gehen, neue und mehr Anreize zu definieren und herauszustellen, womit und wofür wir Zuwanderung ermöglichen wollen. Ohne Zuwanderung werden wir die kommenden Jahrzehnte nicht mit gleichbleibender Wirtschaftsleistung meistern, das zeigen alle Studien. Wir müssen also zu einer Bewusstseinsänderung kommen, die in anderen Ländern schon sehr viel besser umgesetzt wird. Die Zuwanderung, die gute Ausbildung und die Integration von Menschen von überall auf der Welt sind der Schlüssel und ein großer Mehrwert für Deutschland. Damit Integration gelingt, müssen tatsächlich noch viele Zugangshürden zu Sprach- und Integrationsangeboten abgebaut werden, und zugewanderte Menschen müssen ihren Platz finden können in unserer Gesellschaft. Am Beispiel eines neuen Mitarbeitenden aus Syrien gesprochen: Es brauchte Kollegen und Kolleginnen, die offen sind und den neuen Kollegen gut ins Team aufgenommen haben, es brauchte Sprachangebote, es brauchte eine gute Betreuungsstruktur für seine kleinen Kinder, es braucht später ein gut ausgestattetes Schul- und Bildungssystem und es brauchte ein Beschäftigungsangebot für seine ebenfalls hoch qualifizierte Frau. Die Hochschule hat wiederum zwei fachlich hervorragende, gut integrierte und sehr engagierte neue Mitarbeitende gewonnen, die viele Ideen und Begeisterung ins Team gebracht haben. In einem solchen Gesamtpaket wird Zuwanderung ein Gewinn für alle Seiten.
Jobgalerie Weserbergland: Ein Kandidat oder eine Führungskraft kann sich noch nicht entscheiden, ob er oder sie bei der HAWK oder beim anderen Arbeitgeber beginnen möchte. Wie gewinnen Sie einen solchen Mitarbeiter oder Mitarbeiterin für die HAWK? Was würden Sie diesen Menschen sagen?
Dr. Anne Faber: Das ist leicht! Ich würde dieser Person sagen, dass es keinen schöneren Ort gibt, an dem man arbeiten kann, als die HAWK! Eine Hochschule ist ein besonderer Ort, an dem man überall kreativen, engagierten Menschen begegnet, die daran interessiert sind, Fragen zu stellen, Dinge weiterzuentwickeln und neue Impulse zu geben. Außerdem hat man die Chance – direkt oder indirekt – zum Gelingen des Studiums unserer jungen Menschen beizutragen, und das ist eine große Freude. Dabei hat man aus meiner Sicht deutlich höhere Gestaltungsspielräume und Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen, als in vielen anderen Bereichen. Natürlich sind auch die sichere Bezahlung nach Tarifvertrag und die vielen Vorzüge eines öffentlichen Arbeitgebers – wie z.B. Flexibilität bei den Arbeitszeiten, verlässliche Elternzeiten und die anschließende Rückkehr auf die alte Stelle oder auch Angebote zur mobilen Arbeit – wichtige Faktoren. Und schließlich ist die HAWK einfach ein Ort des guten, wertschätzenden Miteinanders der Menschen untereinander. Als ich vor eineinhalb Jahren an die HAWK gewechselt bin, habe ich diese offene, konstruktive Kultur sehr positiv wahrgenommen und versuche, sie genauso weiter zu führen und zu stärken.
Jobgalerie Weserbergland: Frau Prof. Dr. Scholz-Bürig, Sie lehren auch Personalführung. In vielen Unternehmen kursieren die Themen niedrige Team-Motivation, nicht wahrgenommenes Mitarbeiter-Potential, hohe Fluktuationsrate etc. Was braucht heutzutage eine moderne Personalführung? Und was bedeutet Servant Leadership für Sie?
Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig: Die Auswirkungen einer schlechten Personalführung und damit die Bedeutung dieses Themas wird ja besonders in den alle zwei Jahre durchgeführten Gallup Studien deutlich: Kernaussage der Gallup-Studie 2016: „Schlechte Chefs kosten deutsche Volkswirtschaft bis zu 105 Milliarden Euro jährlich“. Das liegt u.a. daran, dass Menschen nachweislich insbesondere durch schlechte Führung die emotionale Bindung zu ihrem AG verlieren, bis hin zur inneren Kündigung. Die Gallup-Werte aus 2023: 18 Prozent keine emotionale Bindung, 69 Prozent nur geringe emotionale Bindung, nur 13 Prozent hohe emotionale Bindung. Was macht das mit Menschen, die nur eine geringe oder keine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber oder ihrer Arbeitgeberin haben? Hohe Fluktuation, wenig Motivation und noch ein weiterer oft nicht gesehener Aspekt: Mitarbeitende erkennen Fehlentwicklungen und schweigen oder engagieren sich nicht für Verbesserungen (gering emotional gebundenen: 33 % haben schwere Bedenken gegenüber VG nicht geäußert nicht emotional gebundenen: 45 % haben schwere Bedenken gegenüber VG nicht geäußert). Servant Leadership bedeutet für mich als Führungskraft meine Verantwortung zu sehen und wahrzunehmen, dass die Kolleg*innen gerne bei der HAWK arbeiten. Ich versuche alles dafür zu tun, dass Mitarbeitende sich wahrgenommen fühlen, zuzuhören, durch Jour fixe und Jahresgespräche Strukturen zu schaffen, in denen der Kontakt eben nicht im tagtäglichen untergeht. Und dabei besonders herauszufinden, wo die Menschen ihre Stärken haben, mit was sie sich identifizieren können und sie nach Möglichkeit dann dort einsetzen oder dahin entwickeln. Und schließlich versuche ich, wann immer es passt, proaktiv Feedback zu geben, indem ich die Bedeutung und die positiven Auswirkungen der konkreten Arbeit und Ergebnisse der Kollegen und Kolleginnen für sie formuliere und verdeutliche.
Jobgalerie Weserbergland: Das Wohl und die Gesundheitsförderung der Mitarbeitenden in einem Unternehmen sind nicht mehr wegzudenken. Warum ist die Gesundheit der Belegschaft so wichtig? Und was versteht man überhaupt unter Gesundheit im Personalmanagement?
Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig: Die Gesundheit der Belegschaft ist von zentraler Bedeutung, sowohl für das individuelle Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die gesamte Organisation. Gesunde Mitarbeiter sind leistungsfähiger, motivierter und weniger krank, was sich positiv auf die Produktivität und die Arbeitsatmosphäre auswirkt. Im Personalmanagement umfasst Gesundheit nicht nur das Fehlen von Krankheit, sondern ein ganzheitliches Wohlbefinden in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht. Bei der HAWK legen wir großen Wert auf ein gesundes Arbeitsumfeld. Dies bedeutet zum einen, dass wir für optimale physische Bedingungen am Arbeitsplatz sorgen. Dazu gehören ergonomische Möbel und ein gutes Raumklima. Beispielsweise haben alle Kollegen der HAWK die Möglichkeit, höhenverstellbare Schreibtische zu nutzen, was viele auch tun. Moderne, strahlungsarme Bildschirme sind eine Selbstverständlichkeit. Kürzlich wurden alle Bürostühle ausgetauscht, wobei individuell ermittelt wurde, welches Stuhlmodell am besten zu welcher Person passt. Dies macht nicht nur ergonomischen Sinn, sondern zeigt auch, dass wir die Kolleginnen und Kollegen persönlich und nicht „als Produktionsfaktoren“ wahrnehmen. Darüber hinaus setzen wir auf Programme zur Förderung der mentalen Gesundheit, wie Stressmanagement-Workshops und Beratungsangebote, unterstützt durch Kooperationen mit diversen Krankenkassen. Hinzu kommt das Fördern der sozialen Gesundheit durch Maßnahmen, die Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl stärken, beispielsweise der jährliche Betriebsausflug, den der Personalrat organisiert. Ein gesundes Arbeitsklima ist die Grundlage für Innovation und Kreativität. Es ermöglicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ihr volles Potenzial zu entfalten und trägt maßgeblich zum Erfolg unserer Hochschule bei. Die Investition in die Gesundheit der Belegschaft ist somit keine kurzfristige Maßnahme, sondern ein langfristiges Engagement, das sich vielfach auszahlt. Sie ist ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung der täglichen Arbeit und schafft eine vertrauensvolle Basis für die Zukunft.
Jobgalerie Weserbergland: Viele Unternehmen achten bei der Personalentwicklung auf Vielfalt bzw. Diversity-Management. Was sind die Probleme und die Vorteile beim Diversity-Management?
Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig: Diversity-Management hat insbesondere an Hochschulen eine sehr große Bedeutung, da eine vielfältige Belegschaft zahlreiche Vorteile bietet. Zu den wichtigsten Vorteilen zählen erhöhte Innovation und Kreativität durch unterschiedliche Perspektiven sowie eine bessere Einstellung auf unsere Studierenden dank kultureller Einblicke. Zudem steigert eine inklusive Unternehmenskultur die Attraktivität als Arbeitgeber und die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung. Den Vorteilen stehen jedoch Herausforderungen gegenüber, wie unbewusste Vorurteile und Konflikte durch unterschiedliche Kommunikationsstile. Auch an Hochschulen erfordert Diversity-Management Investitionen, Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen. Widerstände und Skepsis können ebenfalls Hindernisse darstellen. Erfolgsfaktoren für Diversity-Management sind die Unterstützung und das Engagement der Führungskräfte, klare Kommunikationsstrategien, messbare Ziele sowie eine kontinuierliche Förderung inklusive Hochschulkultur.
Jobgalerie Weserbergland: Ein Absolvent möchte am Ende seines Studiums Ihnen ganz persönlich Danke sagen. Mit welchen Gedanken und Worten würden Sie einen Absolventen verabschieden?
Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig: Es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie heute verabschieden zu dürfen. Ihr erfolgreicher Abschluss ist ein bedeutender Meilenstein und ein Beleg für Ihr Engagement, Ihre Ausdauer und Ihre Hingabe in den letzten Jahren. Sie haben sehr viel Fachliches gelernt und sind mit Ihrer Fachkompetenz bereit für den Einstieg ins Berufsleben. Neben der Fachkompetenz hatten Sie Gelegenheit, sich darüber hinausgehende Aspekte wie betriebswirtschaftliche Grundlagen, Personalführung und die Welt im digitalen Wandel anzueignen. Sie haben sich persönlich weiterentwickelt, bestimmt auch neue Freunde gefunden und zahlreiche Herausforderungen gemeistert. Ich möchte Ihnen ganz persönlich von Herzen für Ihr Vertrauen in unsere Hochschule und an uns als Lehrende danken. Ihr Beitrag zur HAWK-Community und Ihr Einsatz haben nicht nur Sie, sondern auch unsere Hochschule bereichert. Es ist Studierenden wie Ihnen zu verdanken, dass wir als Institution wachsen und uns ständig weiterentwickeln können. Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute. Möge Ihr Wissen, das Sie hier erworben haben, Ihnen als solides Fundament dienen und Ihnen helfen, Ihre Ziele und Träume zu verwirklichen. Denken Sie immer daran, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist, und scheuen Sie sich nicht, neue Wege zu beschreiten und Herausforderungen anzunehmen. Wenn Sie heute in die Welt hinausgehen, tragen wir alle Hoffnung und Vertrauen in Sie und Ihr Potenzial. Halten Sie den Kontakt zu uns, werden Sie Alumni und lassen Sie uns an Ihren Erfolgen teilhaben. Kehren Sie gern jederzeit zurück, um Ihre Erfahrungen mit uns und zukünftigen Generationen zu teilen.
Jobgalerie Weserbergland: Frau Dr. Anne Faber, Frau Prof. Dr. Katja Scholz-Bürig, wir bedanken uns für das Interview.
Das Interview führte Katharina Cruz